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Systematisierung von Ursachen für Unterrichtsstörungen: Die Ursachen für Unterrichtsstörungen sind vielfältig. Sie können aus inneren und äußeren Einflüssen, bewussten oder unbewussten Handlungen und Eigenschaften der Schüler sowie der Lehrkräfte resultieren. Es gibt verschiedene Herangehensweisen, um Gründe für Unterrichtsstörungen zu beschreiben. Eine klare Zuordnung der Ursachen zu den einzelnen Theoriemodellen ist oft schwierig, da Verhalten meistens multifaktoriell bedingt ist.
Systematisierung A: Zuordnung nach verschiedenen Theoriemodellen in Anlehnung an Bärsch (1978), Myschker (1999), Palmowski (2002): 1. Der biophysische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können Ausdruck innerer Anlagen, Instinkte und Prägungen sein. Auch durch die Gentechnikforschung kann der Eindruck entstehen, der Mensch und sein nach außen gezeigtes Verhalten sind hauptsächlich das Ergebnis seiner genetischen Ausstattung. Beispiele: Aggressionen, Angst, etc.
2. Der medizinische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus körperlichen Dysfunktionen resultieren. Beispiele: ADHS, zentrale Hörverarbeitungsstörung, endokrine Funktionsstörungen, etc.
3. Der psychoanalytische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus einer inadäquaten Ich-Entwicklung bzw. aus Merkmalen von Personen, die das Verhalten dieser Personen bestimmen, resultieren. Psychoanalytisches Modell nach Freud: Ein Ungleichgewicht zwischen Es, Ich und Über-Ich führt zu abweichenden Verhaltensweisen. Beispiele: Fehlende Frustrationstoleranz, gestörtes Selbstkonzept, Intoleranz, Aggressionen, Angst, diverse andere Persönlichkeitsstörungen, etc.
4. Der individualpsychologische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können nach Adler aus einem übermäßig entwickelten Minderwertigkeitskomplex, der zu einem nicht gemeinschaftsförderlichen Verhalten führt, entstehen. Das Kind muss schon am Anfang der Entwicklung durch z.B. die Mutter Gemeinschaft positiv erleben. Beispiele: Aggressionen, Machtstreben, kriminelles Verhalten, Neurosen, Psychosen, etc.
5. Der kommunikationstheoretische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus nicht optimal ablaufenden kommunikativen Wechselwirkungen und Beziehungen resultieren. Beispiele: Uneinigkeit und Unzufriedenheit auf der Inhalts- und/oder Beziehungsebene zwischen Lehrkräften und Schülern bzw. Schülern und Schülern kann zu Störungen führen, Missverständnisse, etc.
6. Der humanpsychologische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus einer Beeinträchtigung des inneren Strebens nach personaler Weiterentwicklung resultieren. Beispiele: Störende Verhaltensweisen aufgrund eines nicht förderlichen und nicht akzeptierenden Klimas.
7. Der lerntheoretische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können erlernt sein. Jedes Verhalten (positiv und negativ) resultiert aus Verstärkung und Löschung in Verbindung mit anderen Faktoren. Beispiele: Positive Verstärkung (Anerkennung) störender Verhaltensweisen durch Mitschüler, störende Schüler können eine Modellfunktion für ihre Mitschüler haben, Störungen provozieren Aufmerksamkeit von Lehrkräften und Mitschülern, etc.
8. Der kognitivistische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus inneren kognitiven Prozessen erfolgen. Beispiele: Das Verfolgen von Zielen (Macht, Rache, Anerkennung, etc.) durch bestimmte Verhaltensweisen, die den Unterricht stören.
9. Der ökologische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus einer beeinträchtigten Interaktion zwischen Kind und Umwelt resultieren. Beispiele: Die aktuellen kontextgebundenen Verhaltensregeln können nicht eingehalten werden.
10. Der soziologische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus den Einflüssen gesamtgesellschaftlicher Strukturen und Prozesse resultieren. Beispiele: Gesellschaftliche Einflüsse, schichtspezifische Sprache und Verhaltensweisen, Wohngegend, Familiensituation und Zugehörigkeit zu Subkulturen können Einfluss auf Verhaltensweisen von Menschen haben, etc.
11. Der systemisch-konstruktivistische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen können aus dem Einfluss vieler Subsysteme mit unterschiedlichen und teilweise inkompatiblen Spielregeln resultieren. Jeder Beteiligte ist Auslöser für Verhaltensweisen anderer Beteiligter und reagiert auf das Verhalten der Mitmenschen. Systeme befinden sich in einem ständigen Wandel. Die grundlegende Frage ist die nach dem Sinn eines gezeigten Verhaltens (positiv und negativ) innerhalb eines Systems. Beispiele: Unangemessene Verhaltensweisen, die in einem anderen Subsystem nützlich sind, etc.
12. Der didaktische Ansatz: Unterrichtsstörende Verhaltensweisen resultieren sowohl aus den Merkmalen des Unterrichts und/oder aus den institutionellen, personellen und materiellen Rahmenbedingungen. Beispiele: Nicht motivierender Unterrichtsstil, große Klassen, schlechte Materialausstattung, etc.
Systematisierung B: Jürgens (2000):
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